
Nimatullahi Sufi-Orden
Sufismus ist eine spirituelle Reise zur Wahrheit durch Liebe, Hingabe und Dienst, basierend auf der Einheit aller Wesen.
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Im Laufe der Geschichte haben spirituelle Traditionen vor der trügerischen Natur des Egos gewarnt und es als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur Erleuchtung dargestellt. Aber was genau ist das Ego, und warum hat es eine solche Macht in unserem Leben?
Im Kern ist das Ego unser Ich-Erleben – die innere Stimme, die uns sagt, dass wir eigenständige, autonome Wesen sind, die die Kontrolle über ihre Entscheidungen haben. Es nährt unsere Begierden, befeuert unsere Selbstsucht und rechtfertigt unsere Handlungen oft durch Vernunft oder Moral. Doch das Ego ist auch ein Meister der Illusion und formt unsere Wahrnehmungen in einer Weise, die uns von tieferen Wahrheiten entfernen kann.
Aus evolutionärer Sicht hat sich das Ego wahrscheinlich als Werkzeug zum Überleben entwickelt. Die frühen Menschen verließen sich auf ihre Fähigkeit, zu planen, ihre Dominanz zu behaupten und die Handlungen anderer vorauszusehen, um sich Ressourcen zu sichern und den Fortbestand ihrer Abstammungslinie zu gewährleisten. Im Laufe der Zeit wurde dieses Ich-Erleben zu mehr als nur einem Überlebensmechanismus – es wurde zu der Linse, durch die wir die Realität selbst interpretieren.
Viele spirituelle Traditionen legen genau wie die moderne kognitive Psychologie und die Neurowissenschaften nahe, dass das Ego ein Konstrukt ist – eine Illusion, die dazu dient, ein Gefühl der Kontinuität in unseren Gedanken und Erfahrungen zu schaffen. Unser Gehirn webt ein Narrativ des Selbstseins, das uns hilft, uns in der Welt zurechtzufinden und mit anderen zu interagieren. Obwohl es sich um ein künstliches Konstrukt handelt, behandelt die Gesellschaft das Ego als eine unbestreitbare Realität. Wir streben nach Karrieren, suchen nach Bestätigung, konkurrieren um Liebe und stellen oft unser eigenes Wohlbefinden über das Wohl anderer — alles im Dienste dieses illusorischen Selbst.
Aus einer Sufi-Perspektive ist das Ego ein Schleier, der uns für die größere Realität blind macht. Anstatt uns selbst als bloße Fäden im riesigen Teppich der Existenz zu erkennen, tun wir so, als wären wir ihr Zentrum. Diese Egozentrik führt unweigerlich zu Konflikten, denn solange wir unsere eigenen Wünsche in den Vordergrund stellen, sehen wir andere als Hindernisse auf dem Weg zu unseren Zielen und nicht als Mitreisende auf demselben Weg.
Wie können wir uns also aus dem Griff des Egos befreien? Der erste Schritt ist einfach und doch tiefgreifend. Er besteht darin, Herzensgüte zu kultivieren. Indem wir unseren Fokus weg von egozentrischen Wünschen verlagern und uns die Nächstenliebe zu eigen machen, beginnen wir, die Barrieren aufzulösen, die das Ego errichtet hat. Durch Handlungen der Großzügigkeit und in Momenten selbstloser Liebe erhaschen wir Einblicke in eine Wahrheit, die weit größer ist als das Selbst, das wir so verzweifelt festhalten und beschützen.
