Es war eine mondlose Nacht, und die Straßen des Dorfes waren in Schatten gehüllt. Die Luft war kühl, und es herrschte eine tiefe Stille, die nur durch das ferne Rascheln von Blättern und das gelegentliche Bellen eines streunenden Hundes unterbrochen wurde. Bayazid Bastami, der verehrte Sufi-Meister, war allein spazieren, versunken in tiefe Meditation. Seine Schritte waren gleichmäßig, sein Geist losgelöst von der Welt um ihn herum.
Aus der Dunkelheit tauchte eine Gestalt auf - ein junger Mann, dessen Gesicht vor Wut und Schmerz verzerrt war. Ohne einen Moment zu zögern, hob er seine Hand und schlug Bayazid ins Gesicht. Das Geräusch des Schlages hallte durch die ruhige Straße und rüttelte einige Passanten aus ihrer Abendroutine auf. Erschrockenes Keuchen erfüllte die Luft.
„Ist dir klar, was du getan hast?“, rief ein Passant aus. „Das ist Bayazid, einer der größten Heiligen unserer Zeit!“
Das Gesicht des jungen Mannes verlor seine Farbe, als ihn die Erkenntnis traf. Schuldgefühle durchfluteten sein Herz. Er hatte nicht einen Feind, sondern einen verehrten Meister angegriffen. In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Das Gewicht seines Fehlers bedrückte ihn schwer.
Beim ersten Morgengrauen eilte er zu Bayazids Haus, einer bescheidenen Behausung, die den Duft von Frieden und Einfachheit verströmte. Er fand den Meister in stiller Kontemplation sitzend vor, wobei seine Anwesenheit eine Ruhe ausstrahlte, die sich fast anfühlte, als wäre sie nicht von dieser Welt. Der Junge zögerte an der Tür, seine Scham ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Schließlich nahm er seinen Mut zusammen und trat vor.
„Meister“, sagte er mit zitternder Stimme, “verzeiht mir. In der Dunkelheit habe ich Euch mit jemandem verwechselt, der mir Unrecht getan hat. Vor langer Zeit habe ich einem Mann zwanzig Dinar geliehen, und er verschwand, ohne mir das Geld zurückzuzahlen. Als ich Euch in der Nacht sah, dachte ich, Ihr wäret er. Mein Zorn hat mich geblendet. Ich schäme mich zutiefst.“
Bayazid öffnete die Augen und blickte den jungen Mann mit einer Freundlichkeit an, die die Abwehrhaltung des Jungen zum Schmelzen brachte. Ohne eine Spur von Groll fragte er: „Wie viel hast du ihm geliehen?“
„Zwanzig Dinar“, wiederholte der Junge mit gesenktem Blick.
Bayazid griff in sein Gewand, zog zwanzig Dinar heraus und legte sie in die Hände des jungen Mannes. Seine Stimme war sanft, und doch war sie voller Weisheit.
„Mein Freund“, sagte er, “belaste dein Herz nicht mit Schuldgefühlen. Das kam nicht von dir - es kam von einem Ort, den Fehler nicht erreichen können.“
Der junge Mann war wie erstarrt, sein Verstand rang darum, die Tiefe der Gnade des Meisters zu begreifen. Sein Herz schwoll an mit etwas, das er noch nie zuvor gefühlt hatte - eine Liebe, die so groß und bedingungslos war, dass es ihm den Atem verschlug. Tränen traten ihm in die Augen. In diesem Moment verstand er, was wahre Großzügigkeit ist, was wahre Vergebung bedeutet.
Er war gekommen, um Absolution zu erhalten. Stattdessen fand er sich selbst verwandelt.

