An einem ruhigen Nachmittag in Nishapur kräuselte sich der warme Dampf des öffentlichen Bades wie dahinziehende Wolken durch die Marmorkorridore. In dem alten Hammam hallte das sanfte Plätschern des Wassers, leise Gespräche und der beruhigende Rhythmus der Holzsandalen auf nassem Stein. Er war ein Ort, an dem der physische Körper gereinigt wurde - aber für einige, wie Abu Sa'id, war es auch ein Ort der Reinigung der Seele.
An jenem Tag, als Abu Sa'id, der verehrte Sufi-Meister, in kontemplativer Stille inmitten des Dampfes saß, kam ein bedeutender Gelehrter zu seiner Khaniqah, die Weisheit des Lehrers ersuchend. Als der Gelehrte erfuhr, dass der Meister in das öffentliche Bad gegangen war, zögerte er nicht lange und machte sich auf den Weg dorthin, begierig auf einen Austausch mit dem Mystiker, sei er auch nur kurz.
Er betrat den Hammam mit vorsichtigen Schritten, sein Blick suchte durch den Nebel den Meister. Als er schließlich Abu Sa'id fand, der nur mit einem Handtuch um die Hüfte und einem einfachen Wassereimer neben ihm dasaß, verbeugte sich der Gelehrte und begrüßte ihn.
„Wie gefällt dir das Bad?“ fragte Abu Sa'id mit einem sanften Lächeln, und seine Augen funkelten wissend.
„Es gefällt mir gut“, antwortete der Gelehrte höflich.
„Warum gefällt es dir?“, fragte der Meister mit scharfem und dennoch freundlichem Blick, als wolle er den Mann einladen, tiefer zu blicken.
Der Gelehrte hielt inne, dann bot er als Antwort: „Weil der Meister hier ist.“
Abu Sa'id kicherte leise, der Dampf wirbelte um ihn herum wie Weihrauch, der von einem Gebet aufsteigt. „Du kannst besser antworten“, sagte er und entlockte dem Moment die Wahrheit wie einer Muschel die Perle.
„Bitte, so sagt mir die bessere Antwort“, bat der Gelehrte, gedemütigt und neugierig.
Abu Sa’id sprach mit ruhiger und volltönender Stimme:„Weil du hier nichts außer einem Leintuch und einem Eimer hast – und nichts davon gehört Dir.“
In diesem flüchtigen Moment löste sich die Last von Besitz, Titeln und dem Ego auf wie Nebel in der Sonne. Was blieb, war eine einfache, tiefe Wahrheit: Freiheit liegt nicht darin, mehr zu haben, sondern weniger zu brauchen - und von nichts besessen zu sein.

