Göttliche Liebe - eine Geschichte aus Basra

Im goldenen Staub von Basra, unter einem Himmel, der in den Farbtönen der Morgendämmerung gemalt war, schritt ein berühmter Gelehrter zielstrebig durch die engen Straßen, seine Gewänder raschelten vor Stolz und Wissen. Er kam, um Rabe'a al-Adawiyya (gest. 804) zu besuchen - die Frau, deren Name in den Herzen der Gläubigen erklang und die für ihre brennende Liebe zum Göttlichen bekannt war.

Er betrat ihre bescheidene Behausung, wo der Duft von Sandelholz in der Luft hing und das Licht durch einen abgenutzten Vorhang fiel und sanfte Schatten auf Rabe'a's gebrechliche Gestalt warf, die auf einem einfachen Bett lag. Obwohl ihr Körper schwach war, strahlte ihr Geist unerschütterliche Gelassenheit aus.

Der Gelehrte setzte sich neben sie und begann zu sprechen; seine Worte strotzten vor Verachtung für die Welt. Er schimpfte lang und breit über ihre flüchtigen Freuden und Versuchungen und erwartete Lob für seine Entsagung.

Doch Rabe'a sah ihn mit einem Blick an, in dem die Stille einer nächtlichen Wüste lag, und sagte ruhig:

"Du musst die Welt sehr lieben... warum sonst solltest du so oft von ihr sprechen? Denn wie das Sprichwort sagt: Wer etwas liebt, erinnert sich oft daran."

Ihre Worte, sanft und doch durchdringend, trafen den Gelehrten wie ein Blitz. Sein Stolz wurde brüchig - und doch fuhr er fort, in der Hoffnung, ihre Unwissenheit zu entlarven.

„Liebst du Gott?“, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.

„Von ganzer Seele“, antwortete sie.

„Dann musst du doch Satan hassen?“

Doch Rabe'a lächelte, ihre Stimme war ein Flüstern von göttlicher Klarheit:

„Meine Liebe zum Allgütigen hat mein Herz so vollständig erfüllt, dass kein Platz mehr für Hass ist - nicht einmal für Satan.“

Der Gelehrte schwieg fassungslos. Er war gekommen, um sie über Religion zu belehren... doch nun ging er fort, nachdem er etwas Tieferes gekostet hatte - das Feuer der reinen, bedingungslosen Liebe.