Eines Tages ging der verehrte Sufi-Meister Shaqiq al-Balkhi (gest. 810) durch den geschäftigen Basar von Chorasan. Der Markt war erfüllt von den Geräuschen der Händler, die ihre Waren anpriesen, vom Duft von Gewürzen, der durch die Luft wehte, und von dem rhythmischen Geplapper der Stadtbewohner, die ihrem täglichen Leben nachgingen.
Als Shaqiq sich durch die Menge bewegte, kam plötzlich ein Fremder auf ihn zu. Obwohl er den Meister nicht kannte, schien der Mann ihn sofort zu erkennen. Mit respektvollem Auftreten stellte er eine Frage:
„Meister, könnt Ihr mir die wahre Bedeutung des Großmuts erklären?“
Shaqiq, bekannt für seine Weisheit und Einfachheit, antwortete:
"Wenn wir etwas erhalten, bedanken wir uns. Und wenn wir nichts erhalten, bleiben wir geduldig."
Der Fremde hörte aufmerksam zu, lächelte dann und antwortete: „Die Hunde von Khorasan leben nach demselben Prinzip.“
Shaqiq war verblüfft. Die Antwort war zwar unerwartet, hatte aber eine tiefere Bedeutung. Er hielt einen Moment inne, dann wandte er die Frage an den Mann zurück:
„Und was ist Ihrer Meinung nach wahrer Großmut?“
Der Fremde antwortete: “Wenn wir etwas erhalten, geben wir es an andere weiter. Und wenn wir nichts erhalten, bleiben wir geduldig.”
Shaqiqs Herz rührte sich bei diesen Worten. Ihm wurde klar, dass er soeben eine tiefgreifende Lektion erhalten hatte - eine Lektion, die Großmut zu selbstlosem Geben erhob, über Dankbarkeit und Ausdauer hinaus. Doch bevor er seine Dankbarkeit ausdrücken oder sich nach der Identität des Fremden erkundigen konnte, war der Mann in der Menge verschwunden und ließ Shaqiq mit einer Weisheit zurück, die für immer in seiner Seele bleiben würde.

