Der weise Vogel


In einem ruhigen Dorf kauerte ein Jäger regungslos im Gebüsch, die Augen auf eine Falle gerichtet, die er mit sorgfältiger Genauigkeit aufgestellt hatte. Nach Stunden des Wartens wurde seine Geduld belohnt - die Falle schnappte zu. Gierig öffnete er sie, fand darin aber nur einen kleinen flatternden, seltsam aussehenden Vogel. Als er hineingriff, um ihn herauszuziehen, tat der Vogel etwas Erstaunliches - er sprach.

„Oh edler Jäger“, sagte er, "du hast viele Tiere erlegt - Schafe, Hirsche, sogar Kamele -, doch nie hast du dauerhafte Zufriedenheit gefunden. Ich bin nur ein kleiner Vogel. Sicherlich werde auch ich deinen Hunger nicht stillen. Aber wenn du mich verschonst, werde ich dir drei Weisheiten schenken - Edelsteine, die viel nahrhafter sind als mein Fleisch. Die erste Weisheit werde ich dir jetzt geben, solange ich noch in deiner Hand bin. Die zweite werde ich vom Dach aus teilen, und die dritte von dem hohen Baum dort drüben.

Die Neugierde überwog den Hunger, und der Jäger nickte.

Der Vogel sprach: „Hier ist mein erster Rat: Glaube niemals an Unsinn, ganz gleich, wer ihn sagt, ob König oder Bettler, Weiser oder Narr.“ Der Jäger, fasziniert, lockerte seinen Griff, und der Vogel flog zum Dach.

Von dort aus gab er den zweiten Ratschlag: "Sei nicht bekümmert über das, was verloren ist. Lasst das Bedauern los. Die Vergangenheit kann nicht geändert werden, nur die Gegenwart liegt in deiner Hand."

Nach einer dramatischen Pause fügte der Vogel hinzu: "Oh, aber hättest du mich behalten, dann hättest du eine unbezahlbare Perle in mir gefunden - einen Schatz, der mehr wert ist als zehn Goldmünzen. Ein seltenes Juwel, das dein Leben für immer hätte verändern können."

Dem Jäger rutschte das Herz in die Hose. Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wehklagte und verfluchte sein Schicksal. "Was war ich für ein Dummkopf! Was habe ich nur getan?"

Der Vogel lachte. "Habe ich dir nicht gerade gesagt, du sollst der Vergangenheit nicht nachtrauern? Und habe ich dir nicht geraten, keinen Unsinn zu glauben? Glaubst du wirklich, dass ein kleiner Vogel wie ich eine so große Perle in seinem Körper tragen könnte? Wie schnell du doch beide Ratschläge vergessen hast!"

Beschämt blickte der Jäger auf und flehte: "Schenk mir wenigstens die dritte Weisheit. Das wenigstens habe ich wohl sicher verdient."

Vom hohen Baum aus antwortete der Vogel: "Was bringt eine weitere Wahrheit dem Menschen, der die ersten beiden nicht lebt? Jemandem Weisheit zu zeigen, der nicht zuhört, ist, als würde man Wasser in einen zerbrochenen Krug gießen. Warum sollte ich den dritten Ratschlag an jemanden verschwenden, der die ersten beiden verwirft?"

Und damit flog der Vogel davon und kehrte nie wieder zurück.

Einem begierigen Dummkopf, der schlafend und unbewusst ist, einen Rat zu geben,
          ist nichts anderes als Samen in unfruchtbaren Boden zu säen.
—Rumi