Die Sonne begann gerade, sich langsam über dem einfachen Dorf Kharaqan zu senken und goldenes Licht auf die Lehmhäuser und die schmalen, gewundenen Wege zu werfen. Der Duft von Linsen und warmem Brot wehte aus einer bescheidenen Küche, in der Abul Hasan Kharaqani, ein Heiliger, von den Armen geliebt und von den Mächtigen vergessen, eine einfache Mahlzeit zubereitete.
In der Nähe spielten Kinder, deren Lachen die von einer Brise leicht bewegte Luft erfüllte, während sich alte Männer unter Feigenbäumen ausruhten und Gebete flüsterten. Abul Hasan, der in einen groben Wollmantel gehüllt war, rührte mit mehlbestäubten Händen und Augen, die göttliche Güte ausstrahlten, in einem Topf über einem offenen Feuer. Er bereitete das Essen nicht für Könige zu, sondern für die Hungrigen, die auf seine Großzügigkeit angewiesen waren.
Plötzlich tauchten zwei Fremde auf: der eine in einem langen Gewand und mit gelehrter Miene, in der Hand ein abgenutztes Manuskript, der andere abgemagert und streng, das Feuer der Entsagung in den Augen. Ein religiöser Gelehrter und ein Asket, die auf der Suche nach der Wahrheit weit gereist waren und von den Gerüchten über einen Mystiker, der die Geheimnisse des Göttlichen kannte, angezogen worden waren.
„Wissen Sie, wo wir Abul Hasan Kharaqani finden können?“, fragten sie einen Mann in der Nähe der Küche.
Kharaqani, der ihr Bestreben sofort erkannte, wischte sich die Hände ab, lächelte warm und antwortete ohne zu zögern: "Ja, aber zuerst müsst ihr essen. Lasst mich euch bedienen."
Verwirrt, aber gerührt von der Freundlichkeit des Mannes, akzeptierten sie. Er führte sie zu einem schattigen Platz in der Nähe des Feuers, breitete ein einfaches Tuch auf dem Boden aus und bediente sie selbst - er füllte Essen in ihre Schüsseln nach, bot ihnen warmes Brot an und schenkte ihnen kühles Wasser ein, mit der ruhigen Würde eines Mannes im Dienste Gottes.
Sie langten kräftig zu, gerührt von der unerwarteten Gastfreundschaft. Erst nach dem Essen setzte sich Kharaqani zu ihnen und legte seine Beine unter sich zusammen. Eine Stille trat ein.
„Ich bin Abul Hasan“, sagte er leise. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
Die beiden Männer tauschten einen Blick aus - ihre Überraschung mischte sich nun mit Ehrfurcht. Der Gelehrte räusperte sich, seine Augen suchten den Horizont ab. "Wir sind weit gereist, um eine einzige Frage zu stellen. Eine, die uns schon seit Jahren keine Ruhe lässt."
Kharaqani nickte. „Fragen Sie.“
Der Gelehrte sprach mit schwerer Stimme. "Wenn Gott allgütig und allgerecht ist, warum gibt es dann das Böse in der Welt? Was ist sein Zweck?"
Kharaqani schwieg zunächst. Seine Augen, tief wie der Ozean, schienen durch sie hindurch ins Jenseits zu blicken.
Schließlich wandte er sich an den Gelehrten. „Und was tun Sie, wenn Sie dem Bösen begegnen?“
Der Mann richtete sich auf. "Ich suche nach Wissen. Ich lese, studiere, denke nach - damit ich es verstehen und überwinden kann."
Kharaqani wandte sich an den Asketen. „Und Sie?“
„Ich vertiefe meine Askese“, antwortete der Mann mit feierlichem Ernst. „Ich verleugne die Welt, suche göttliche Kraft, faste, bete, halte aus - damit ich dem Bösen Reinheit entgegenstellen kann.“
Kharaqani nickte langsam, dann stand er auf, die Silhouette gegen die untergehende Sonne gerichtet.
„Sie stehen früh auf, um Wissen zu erlangen“, sagte er zu dem Gelehrten. „Und Sie suchen Zuflucht in der Enthaltsamkeit“, fügte er hinzu und wandte sich an den Asketen.
Dann legte er sanft eine Hand auf sein Herz und sagte mit ruhiger, unerschütterlicher Gewissheit:
„Aber Abul Hasan wacht jeden Tag auf, um Freude in die Herzen seiner Brüder und Schwestern bringen.“
Eine Stille legte sich über die Welt. Selbst der Wind schien innezuhalten, als würde die Erde selbst zuhören. In diesem Moment schmolz das Problem des Bösen dahin – nicht von Logik oder Disziplin gelöst, sondern durch Liebe verwandelt.
Und irgendwo in der Ferne lachte ein Kind. Ein Topf kochte über. Und die Welt, mit all ihrer Dunkelheit, fühlte sich ein wenig mehr wie Licht an.

